Geschichten

„Wir sind der KITT“

O.VATION sprach mit PRVA-Präsidentin Karin Wiesinger und Generalsekretär Stefan Grampelhuber über die gesellschaftliche Bedeutung von professioneller Kommunikation und ihre Funktion als Brückenbauer.

O.VATION: Welche Dinge im Agenturleben und in der Kommunikationsbranche werden aus den Veränderungen der letzten Zeit als „neues Normal“ bleiben? Was davon ist positiv und was weniger?

Stefan Grampelhuber (SG): Wie in anderen Wirtschaftsbereichen haben sich Tendenzen, die schon da waren, auch in der PR verstärkt. Wer es sich zum Beispiel jetzt noch leistet, nicht digital zu sein, wird wohl bald vom Markt verschwinden. 

Karin Wiesinger (KW): Die durch Corona notwendige Digitalisierung der Kommunikationsbranche war ein wesentlicher Impuls. Nicht nur Agenturen, sondern auch PR-Abteilungen in Unternehmen mussten einen Sprung nach vorne machen und vieles umstellen. Und was den Markt anbelangt: Förderungen wie der Ausfallsbonus haben gut funktioniert. Ich rechne aber damit, dass noch mit zeitverzögerten Auswirkungen zu rechnen ist.

O: Gibt es PRVA-Angebote für digital strauchelnde Agenturen?

KW: Für Branchenkollegen ist es wichtig zu wissen, welche Onlinetools gut funktionieren. Hier können wir mit Best-Practice-Beispielen aufwarten, die wir mit den Auszeichnungen des Verbandes vor den Vorhang holen, etwa mit dem PR-Staatspreis. Oft sind Kommunikationsverantwortliche entscheidende Tester digitaler Services, die dann von anderen übernommen werden.

SG: Unsere aktuelle Mitgliederumfrage zeigt hohes Interesse an Fortbildungen zu diesem Thema – von künstlicher Intelligenz bis zum professionellen Livestreaming von Events. Diesem Wunsch werden wir Folge leisten und entsprechende Fortbildungen forcieren.

KW: Beim PR-Staatspreis gibt es jedes Jahr weniger Einreichungen in der Kategorie Digitalkommunikation, weil diese bereits integrierter Bestandteil professioneller Kommunikation ist. Dieses Bewusstsein hat sich leider bei vielen Auftraggebern noch nicht durchgesetzt. Immer noch werden bei öffentlichen Ausschreibungen einzelne Lose an verschiedene Agenturen vergeben, die losgelöst voneinander arbeiten sollen. Dies steht im Widerspruch zum Grundgedanken von Public Relations und einem stringenten Reputationsmanagement, das sich nicht trennen lässt in eine Online und Offline-Welt.

O: Besteht dann nicht die Gefahr, dass andere Anbieter PR einfach mitmachen?

SG: Fehlentwicklungen im Sinne von „da schreiben Sie doch einfach eine Presseaussendung dazu und gut ist`s!“ kommen immer noch vor, weil der Nutzen von PR als vertrauensbildende Maßnahme nicht klar ist. Die Frage, die sich deshalb stellt, lautet: Was bedeutet PR heute, was sind ihre aktuellen Aufgaben? Vor 20 Jahren stand Pressearbeit klar im Vordergrund, sowohl in der Ausbildung als auch in der täglichen Praxis. Diese spielt heute eine weniger dominante Rolle und wird wahrscheinlich in Zukunft noch mehr marginalisiert werden. Das wirkt sich auf das Berufsbild und die geforderten Fähigkeiten aus. Früher war Schreiben eine wichtige Grundkompetenz eines PR-Beraters, das ist heute nicht mehr durchgängig so. Wir bemerken, dass junge Menschen, die als professionelle Kommunikatoren arbeiten wollen, aber oft eine Fülle an digitalen Skills mitbringen.

KW: Ein gutes Gefühl für Sprache wird auch weiterhin in unserem Beruf wichtig bleiben. Aber: Wer kurze und prägnante Social-Media-Postings verfassen kann, muss nicht gleichzeitig auch Presseaussendungen zu komplexen Wissenschaftsthemen schreiben können. Was ich damit meine: Agenturen holen sich je nach Projekt und Anforderung Spezialisten ins Team. Aufbau und Pflege von Netzwerken, um rasch zu den richtigen Experten zu kommen, ist also entscheidend.

O: Was bedeutet das für die Anforderungen an neue Mitarbeiter? Muss ich nur mehr ein Spezialgebiet voll abdecken? Der Generalist ist nicht gefragt?

KW: Social-Media-Agenturen werden auf das kurze, knappe Storytelling Wert legen. Im Corporate Publishing ist die Fähigkeit gefragt, komplexe Inhalte verständlich aufzubereiten. Generalisten wiederum spielen ihre Stärken in der Beratung aus, wo der Blick für das große Ganze, die gesamte Kommunikationsarchitektur, wesentlich ist. Er oder sie muss aber nicht jedes Instrument im gleichen Ausmaß selbst beherrschen.

SG: Leider spielt die Planung einer langfristigen Kommunikationsstrategie in der Praxis eine untergeordnete Rolle. Bei einer zunehmenden Fülle an Kanälen und Meinungsräumen ist es entscheidend, dass es einen Dirigenten für das Kommunikationsorchester gibt und nicht die Tuba ein anderes Stück als die Geige spielt.

KW: Dieses Verständnis von gesamtheitlicher Kommunikation und der damit zusammenhängenden Vielfalt an Tätigkeiten in der Kommunikationsbranche ist nach wie vor zu gering ausgeprägt. Da ist gerade viel im Fluss und der PRVA hat einen Prozess der Weiterentwicklung gemeinsam mit den Mitgliedern gestartet. Ob auch eine Namensänderung das Resultat daraus ist, wird sich zeigen.

O: Wo zieht man heute die Grenze zwischen den Disziplinen? Wo kommt die Trennung zwischen bezahlter und nicht-bezahlter Kommunikation noch vor?

KW: Eine klare Trennung nach dem PESO-Modell (Anm. der Redaktion: Paid, Earned, Shared, Owned) ist extrem wichtig. Nicht nur für die Glaubwürdigkeit des Absenders, sondern auch aus gesamtgesellschaftlicher Sicht. Transparenz in Bezug auf die Kennzeichnung von bezahlten Inhalten und deren Einforderung – das fällt ganz klar in das Aufgabengebiet verantwortungsvoller Kommunikatoren. Der Kommunikations- und Reputationsverantwortliche wird Kontakte zu den Redaktionen pflegen. Der Marketing-Verantwortliche ist im Austausch mit Mitarbeitern in Medienhäusern, die für Medienkooperationen oder Anzeigen verantwortlich sind. Das hört sich in der Theorie einfach an, ist in der Praxis aber eine Herausforderung.

SG: Es gibt Content-Lieferanten und Journalisten. Ist sich der zuerst Genannte bewusst, dass er nicht journalistisch arbeitet?

O: Oft sind es aber dieselben Personen.

SG: Diese Praxis führt zu einem Rollenkonflikt. Ein Journalist kann frei an ein Thema herangehen und muss nicht an einen Auftraggeber im Hintergrund denken. In einem journalistischen Interview kann man kritische Fragen stellen, das macht aber wohl kein Content-Mitarbeiter. Eine Trennung halte ich in diesem Fall für unerlässlich.

O: Würde ich das auch als Journalist tun? Was soll so ein Testimonial schon auf kritische Fragen sagen? Dieser muss ja im Interesse des Auftraggebers handeln, und das weiß auch der Journalist.

KW: In Tageszeitungen und Nachrichtenmagazinen arbeiten einige Journalisten investigativ. Dann wird eine Presseaussendung nicht 1:1 übernommen, sondern mit eigenen Recherchen ergänzt und mit Gegenargumenten abgeglichen. Manchmal habe ich dort den Eindruck, dass man auf Teufel komm raus nach der Fliege in der Suppe sucht. Über die Zusammensetzung der Suppe wird dann zwar nicht berichtet, aber über die Fliege.

O: Das treibt den Generalvorwurf der Kommunikatoren an die Journalisten, nur zu skandalisieren?

KW: Das ist kein Generalvorwurf, das möchte ich betonen. Aber mein Wunsch an Journalisten ist, nicht nur an die nächste Aufreger-Schlagzeile zu denken, sondern Lesern die Zusammenhänge näherzubringen. Klar ist es aufwändiger, Sachargumente gut aufzubereiten. Wenn es aber nur mehr darum geht, möglichst viele Klicks zu generieren, löst dies nicht nur einen Teufelskreis aus, sondern treibt den Vertrauensverlust weiter an, mit dem Medien sowieso schon konfrontiert sind.

O: Dann sind wir beim gegenseitigen Misstrauen und der gegenseitigen Unterstellung, zu lügen oder zu skandalisieren. Mit extensiver Message Control als Sicherheitssystem im Reputationsmanagement kommen dann nur mehr langweilige Sprechpuppen heraus, deren Aussagen auch per Aussendung genügt hätten, etwa bei Formel-1-Fahrern.

KW: Diese Polarisierung spiegelt den gesamtgesellschaftlichen Trend wider, dass jeder in seiner Meinungsblase nur das hören will, was in sein Weltbild passt. Professionelle Kommunikatoren übernehmen hier die Verantwortung, Brücken zwischen den „Meinungsblasen“ zu schlagen. Ohne Respekt vor der Meinung des anderen gibt es keinen Konsens oder zumindest einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Kommunikation ist somit der Kitt zwischen auseinanderdriftenden Gruppen, die in ihren eigenen Welten leben.

Lesen Sie das ganze Interview in der O.VATION-Ausgabe 02/2021.

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